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Wahlreporter

Koalitionschaos in Thüringen

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Von Susan Luther 5. Oktober 2009, 17:38 Uhr

Warum gehen Menschen wählen? Um mitzubestimmen. Warum wählen Menschen eine bestimmte Partei? Weil sie Vertrauen in sie haben und wollen, dass sie das Beste aus ihrer Stimme machen. Die meisten Wähler der SPD-Thüringen allerdings dürften sich im Moment fragen, ob es nicht sinnvoller gewesen wäre, die Stimme einer anderen Partei zu geben.

Erfurt, die Nacht von Mittwoch auf Donnerstag gegen kurz nach Mitternacht. Christoph Matschie in seiner Funktion als SPD-Vorsitzender hatte zuvor vier Stunden mit dem SPD-Parteivorstand diskutiert. Lächelnd tritt er vor die Tür, denn mit 18 zu 6 Stimmen hatte er sich durchgesetzt. „Mit sehr deutlicher Mehrheit hat sich die SPD entschieden, Koalitionsverhandlungen mit der CDU aufzunehmen“, sagt er.

Er wird unterbrochen von jungen Menschen, welche ihrem Unmut deutlich durch Pfiffe und „Buh“-Rufe Ausdruck verleihen. Auf einem Plakat ist zu lesen: „Schwarz-Rot ist unser Tod.“ unterschrieben mit „Jusos Thüringen“. Bisher galt der SPD-Nachwuchs als „Matschietreu“, aber diese Entscheidung war auch für sie unverständlich. Nicht nur bei der Bundestagswahl fuhr die SPD eher schmächtige Ergebnisse ein. Auch in Thüringen waren vor 5 Wochen nur magere 18,5 Prozent drin. Als Sieger konnte sich die SPD dennoch fühlen, denn ohne sie ist in Thüringen nach wie vor keine Regierung möglich.

So war Matschie in der komfortablen Situation, dass er sich einen Partner aussuchen konnte. Es stand also entweder Rot-Rot-Grün zur Auswahl, wobei die Linkspartei damit zum ersten Mal in Deutschland als stärkste Fraktion in eine Regierungskoalition einziehen würde. Oder eben ein Bündnis mit der bisher regierenden CDU.

Vier lange Wochen wurde mit beiden Lagern parallel verhandelt. Sowohl Christdemokraten als auch Linke buhlten wie liebestolle Kater um eine „Hochzeit“ mit der SPD und sparten nicht mit Nettigkeiten. Die CDU rangierte dafür ihren bisherigen Frontmann Dieter Althaus aus. Als schwarz-rote Regierungschefin wurde dann die bisherige Sozialministerin Christine Lieberknecht nominiert. Mit dieser kann Matschie gut, sie Duzen sich seit neustem angeblich sogar. Woran die CDU aber nichts änderte war ihre Ablehnung von Forderungen der SPD wie Mindestlohn, einer Gebietsreform oder dem gemeinsamen Lernen bis zur achten Klasse.

Nicht nur deshalb hatten sich Die Linke und Die Grüne berechtigte Hoffnungen auf eine Koalition gemacht. „Selbst das Thema Vergangenheitsbewältigung ist mit der Linkspartei geklärt“, sagte Grünen-Chefin Astrid Rothe-Beinlich. Die einzige Frage, welche nicht geklärt werden konnte, war die Frage danach wer das Bündnis in Zukunft führen soll. Denn zwar wäre die Linke in dieser Konstellation stärkste Partei, SPD und Grüne hatten aber die Wahl eines Linken als Regierungschef kategorisch ausgeschlossen. Doch auch hier gab es kaum noch Hindernisse, denn noch wenige Stunden vor der SPD-Vorstandssitzung hatte Linken-Chef Bodo Ramelow erklärt, er würde auch einen Sozialdemokraten als Regierungschef akzeptieren, dieser müsse nur von allen drei Parteien nominiert werden.

Warum also jetzt diese Entscheidung? Anscheinend reicht das alles Matschie nicht. Er bestand in der Vorstandssitzung auf der Führungsrolle der SPD in dieser Koalition und dass allein sie das Vorschlagsrecht habe. Er erklärte, dass eine Koalition mit Linkspartei und Grünen ein „Wackelkurs“ geworden wäre.

Vielleicht spielt aber auch gekränkte Eitelkeit eine Rolle, denn dass Matschie neben Ramelow (der zuletzt auf den Posten als Ministerpräsident verzichtet hatte) nur als zweiter Mann wahrgenommen werden wird, scheint sicher. Auch die Grünen wirkten zuletzt alles andere als stabil. Bei der Wahl der Fraktionschefin verweigerten sie ihrer Spitzenkandidatin Rothe-Beinlich die Stimme.

Jetzt regt sich in der SPD massiver Widerstand gegen Matschies schwarz-rote Träume. Die Mehrheit der Basis ist gegen Schwarz-Rot und vor allem die Parteilinken sind in Aufruhr. So findet nicht nur Matschies Vorgänger und parteiinterner Gegner Ex-Innenminister Richard Dewes deutliche Worte. Er bezeichnete Matschie Donnerstag als „politischen Scharlatan“. Er wirbt dafür, dass diese Koalition mit der CDU nicht zustande kommt und bezeichnete die politische Entscheidung als falsch. „Es ist eine Entscheidung der Ängstlichkeit.“

Zurück zu den WählerInnen. Wie verspottet müssen sie sich vorkommen? Immerhin haben sie ihre Stimme einer Partei gegeben, welche mit offensivem Werben für politischen Wechsel auf Stimmenfang war. Denn ein Wechsel sieht wahrlich anders aus!

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Kommentare

05.10.2009,
19:42 Uhr
Winfried Sobottka sagt:
Wie sehr man sich von Jürgen Rüttgers bis Oskar Lafontaine, vom Springer-Verlag bis zur Jungen Welt und zum Neuen Deutschland doch einig ist, dass die neoliberale SPD beerdigt gehört... Es wird noch der Tag kommen, da werden wir AnarchistINNen mit Wolfgang Schäuble und Wolfgang Bosbach Arm in Arm durch die Straßen ziehen und frohe Lieder singen.... Das nennt man dann Konsens-Demokratie.

Winfried Sobottka, United Anarchists

Karin Susan Luther

Ich bin eine 27-jährige Studentin, die nebenher mit einem Hilfsjob die Lücken im BAföG-System für sich ausgleicht. In Erfurt wohne ich, geboren wurde ich in Jena - eine tragische Verbindung.